Wie barrierefrei ist Pfeffenhausen?

Veröffentlicht am 12.06.2015 in Presse

Beim "Selbsttest" der Barrierefreiheit in der "Rostgasse"

Soziales Profil macht sich am Umgang mit Schwächeren bemerkbar

Im Jahr 2023, also in acht Jahren soll Bayern barrierefrei sein. So hatte es Horst Seehofer in seiner Regierungserklärung 2013 versprochen. Doch die Umsetzung und vor allem die Finanzierung dieses Versprechens wird wohl zu einem Großteil den Kommunen aufgebürdet werden. Der Umfang des angekündigten Sonderinvestitionsprogramms ist derzeit noch offen und der Bayerische Ministerpräsident habe zwischenzeitlich auch vermeldet, dass auch die Kommunen gefordert seien, Investitionen zu tätigen. Wie es tatsächlich in den bayerischen Kommunen aussieht, davon will sich die SPD-Landtagsfraktion ein Bild machen und hat deshalb die Kampagne „Bayern Barrierefrei“ ins Leben gerufen. Der SPD-Ortsverein Pfeffenhausen machte am Montagabend zusammen mit der Landtagsabgeordneten Ruth Müller einen Spaziergang durch die Marktgemeinde, um „Barrieren“ zu entdecken und Lösungswege zu finden, wie diese beseitigt werden können.

Wie groß die Aufgabe, Bayern in acht Jahren barrierefrei zu machen, tatsächlich ist, davon bekamen die SPD-Mitglieder am Montagabend eine ungefähre Vorstellung. Denn „Barrierefreiheit“ betrifft alle Generationen – von der Familie mit Kinderwagen bis zum Senior mit Rollator oder Rollstuhl und eben auch die vielfältigen Arten von Einschränkungen, mit denen Menschen alters- und gesundheitsbedingt leben müssen. Dazu müsse ein Umdenken in der Gesellschaft erfolgen und auch die Bereitschaft zunehmen, sich auf eine andere Sichtweise einzulassen. „Kaum ein Geschäft ist in unserer Marktgemeinde ohne Stufen, also ebenerdig zu erreichen“, stellte Ruth Müller beim Rundgang fest. Wie in vielen anderen Gemeinden auch sind in Pfeffenhausen die Arztpraxen selten im Erdgeschoss und Aufzüge nicht vorhanden. Ein Förderprogramm zum barrierefreien Umbau von Arztpraxen ist von der Staatsregierung derzeit nicht geplant, da die „vertragsärztliche Vergütung in der gesetzlichen Krankenversicherung auch die Investitionskosten abdeckt“. Diese Begründung ist der Interpellation der SPD-Landtagsfraktion zu entnehmen – 227 Fragen hatten die Sozialdemokraten gestellt und größtenteils unbefriedigende Antworten zum aktuellen Stand der Barrierefreiheit oder zu den geplanten Maßnahmen erhalten.

„Gerade älteren Leuten macht auch das Kopfsteinpflaster beim Gehen zu schaffen. Für jemanden, der mit einem Rollator oder dem Rollstuhl unterwegs ist, wird die unebene Fläche zu einer noch größeren Herausforderung“, merkte Manfred Rudolf an. Im Rahmen der Dorferneuerung und Städtebauförderung wurden vor einigen Jahrzehnten viele bayerische Kommunen mit dieser Pflasterung versehen, die sicherlich schön anzusehen ist, aber im täglichen Leben eben unpraktisch ist. Zahlreiche Kommunen sind nun schon dazu übergegangen, die Hauptwege mit großflächigen, eng verlegten Trittplatten zu pflastern, die im übrigen auch in Sachen Denkmalschutz kein Problem darstellen, wie Ruth Müller kürzlich bei ihrem Besuch in der Dreiflüssestadt Passau erfahren hat. Die SPD Pfeffenhausen will mit einem Antrag erreichen, dass zumindest der Weg vom neugebauten Seniorenheim durch die „Rostgasse“ im Rahmen der derzeitigen Sanierungen als erste Maßnahme „barrierefrei“ gestaltet wird. „Wenn die Fußgänger-Ampel zum Rathaus kommt, wäre das eine wunderbare Ergänzung für unsere älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger“, war sich der Vorsitzende Thomas Niederreiter sicher.

Den Selbsttest in Sachen Bordsteinkanten machten die SPD-Mitglieder mithilfe des Zwillingskinderwagens von Bruno-Andreas Dengel. Gehwege, die für einen Kinderwagen zu eng werden, sind auch für Rollstuhlfahrer zu eng und Bordsteinkanten stellen ebenfalls eine große Herausforderung dar, wenn die Straßenseite gewechselt werden soll. Auch hier müssen die bayerischen Kommunen künftig viel Geld in die Hand nehmen, um Zug um Zug die von Ministerpräsident Horst Seehofer versprochene „Barrierefreiheit“ umzusetzen. „Die einfachste und billigste Art der Gehwegverbreiterung könnten viele Bürgerinnen und Bürger selbst erledigen, indem sie ihre Hecken zurückschneiden, damit Fußgänger nicht auf die Straße ausweichen müssen“, machte Werner Zinner deutlich.

Und noch eine Erkenntnis bekamen die SPD-Mitglieder bei ihrem Spaziergang durch den Marktkern: Dort gibt es derzeit keinen einzigen Parkplatz, der für Behinderte ausgewiesen ist. Lediglich die beiden Nahversorger hätten Behindertenparkplätze, ansonsten gebe es solche weder am Rathaus, bei der Kirche, noch bei den Banken, am Sportgelände oder bei den Kindertagesstätten. Auch hier wollen die Gemeinderäte der SPD aktiv werden und so für ein bisschen mehr Erleichterung für Menschen mit Behinderung in unserer Marktgemeinde sorgen. „Den Wert einer Gesellschaft erkenne man daran, wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern umgeht“, so Müller. Das „soziale Profil“ der Gemeinde Pfeffenhausen sei in vielen Bereichen noch sehr ausbaufähig, stellte sie am Ende des Rundgangs fest.

 

Counter

Besucher:1312372
Heute:36
Online:1